Montag, 20. Januar 2014

Der Tag an dem ich das erste Mal Sari trug... (epische Hintergrundmusik)

Ich werde euch jetzt von dem schönsten Tag überhaupt, dem absolut besten Tag hier in Malayia, erzählen. Aber (muhaha ich habe euch verwirrt) das war NICHT der Tag, an dem ich mein Sari eingeweiht habe. Der Tag von dem ich spreche, war der letzte Dienstag, ein Hindufest, dass sie "Ponggal" nennen.


Früh morgens (also so um 8 Uhr, wir haben natürlich wieder verschlafen) haben wir uns in unsere Punjabis gequält und auf dem Gehsteig vor dem Haus ein kleines Feuer gemacht. Auf ganz traditionelle Weise wurde eine Art Erntedankfest gefeiert, wie "those days" in den Dörfern in Indien. Während der Ponggal (mein Lieblingsreis, erinnert ihr euch?) in der Milch vor sich hingekocht hat, haben wir eine Stunde lang rumgeblödelt, gegähnt und Fotos gemacht. Frisch und kochend heiß wurde der leckere Reismatsch dann bei viel Gerede und Gelächter am Esstisch gefrühstückt, stilecht ein bisschen angebrannt natürlich.

Weil wir alle super müde waren, haben wir uns danach noch einmal hingelegt und sind so um 16 Uhr aufgestanden, um uns für den Tempel fertig zu machen.

Im Tempel haben wir dann noch einmal den Reis gekocht, dieses Mal auf magische Weise ohne Holzfeuergeschmack und weil das wieder eine Weile gedauert hat, wurde auch hier viel getratscht, geredet, gelacht, mit Babys gespielt und friedlich genossen. Nach 6 Monaten kenne ich die ganze Tempelgemeinde, sie kennen mich auch und haben endlich die Scheu vor mir verloren. So war ich mitten drin, dabei im Genießen und vollkommen glücklich!

Okay, das klingt jetzt vielleicht langweilig und umspektakulär, aber hier ist das echt etwas besonderes! Genießen ist eigentlich kein Teil dieser Kultur, "savoir vivre" ist hier nicht nur wegen der Sprache ein Fremdwort, und dann taucht auf einmal irgendwie aus dem nichts dieser vollkommen stress-, streit- und meckerfreie Tag auf, wie eine Insel in der Brandung und es war wirklich wunderschön. Ein Tag vom Aufstehn bis zum Schlafengehn voller glücklichen Minuten!

Nachdem ich so völlig zufrieden mein 16 Lebensjahr abgeschlossen habe, konnte ich auch einen entspannten Geburtstag feiern, ohne viel Tamtam und peinliche alle-singen-für-dich-Momente. An dieser Stelle noch mal ein riesiges DANKE für alle Mails und Glückwünsche, die ich bekommen habe!

Es ist ganz lustig, dass mein Geburtstag mit Abstand der ruhigste Tag der Woche war, denn schon am nächsten Tag (wir sind ja mittlerweile beim Donnerstag angekommen) ging es wieder weiter. Zuerst musste ich zwar blöderweise noch in die Schule, aber danach waren wir schon wieder auf dem Weg in den Tempel. Dieses Mal allerdings nicht in den kleinen alten, von dem ich euch immer erzähle, sondern in einen großen, eindrucksvollen außerhalb der Stadt, der extra für dieses Festival gebaut wurde! 
Wir haben Milch mitgebracht, jeder in einem kleinen Pott und sie zuerst einmal rund um den Tempel getragen und danach den Priestern gegeben, die sie dann über die Statue von Lord Murga gegossen haben.


Eine ganze Woche lang kamen rund um die Uhr Gläubige, ein nicht endender Strom, um dieses Ritual zu vollziehen. Nicht endend! Könnt ihr euch vorstellen, WIE voll es dort war?

Aber es war noch lange nicht so voll wie am Freitagabend, als die Kavadis anfingen. Von dem Abend habe ich keine Fotos, sondern nur Videos und die habe ich aus einem ganz bestimmten Grund nicht hochgeladen. Das war nämlich sehr...ekstatisch. Alle 5 Minuten kam ein Zug mit vorne dran einer Horde eskalierender Jungendliche, die ohne Halten getanzt haben. Direkt dahinter Trommler, diese typischen traditionellen Rhythmen, die einen irgendwie dann doch mitreißen und dahinter dann ein oder zwei Männer, die diese..ähm..andere Form des Betens auf sich genommen haben. Selbstgeißelung. Mit Haken im Rücken oder Spießen im Mund (Genauer erklär ich das nicht, ihr dürft das gern googlen oder meldet euch, dann schick ich euch die Videos. Ich finde nur, dass das nicht vollkommen öffentlich sein sollte.). Mental nicht ganz anwesend und schweißüberströmt haben die sich durch die Menge geschoben, einen Schritt vor den anderen, nur 2m von uns entfernt.
Diese absolut absurde Mischung aus Tanzen, Musik und Schmerzen machen es einem irgendwie unmöglich zu verstehen, was genau da passiert ist, oder Worte dafür zu finden. Man hat immer nur dieses große "Warum?" im Kopf, auf das mir auch meine Gastfamilie keine Antwort geben konnte. Es war in jedem Fall ein sehr intensives Erlebnis, ich bin wirklich froh, es gesehen zu haben, aber ein zweites Mal muss jetzt nicht unbedingt sein.

Wie auch immer, wir waren sehr lange dort, haben kalte Säfte getrunken, Snacks gefuttert und uns durch die Massen geboxt. Es war toll, nach so langer Zeit mal wieder im Trubel zu sein, deshalb würde ich dem Abend trotz der gruseligen Haken und Spieße ein "+" geben.

So, jetzt haben wir es endlich zu DEM Tag geschafft. Dem Tag, an dem ich das erste Mal Sari trug.
Am Samstagabend war noch einmal ein Umzug, diesmal in Little India, dem indischen Stadtviertel in Ipoh. Wir wollten dort ganz entspannt um 16 Uhr nachmittags aufkreuzen, sind  aber wie immer um 17 Uhr erst vom Mittagsschlaf aufgewacht. Dann haben wir festgestellt, dass in meiner Familie keiner richtig Saris binden kann und sind zur Frau des Sohnes der Schwester meines Gastvaters gefahren und haben sie um Hilfe gebeten. Das hat eine Weile gedauert und so sind wir um 20 Uhr in der Stadtmitte angekommen.



Unfassbar viele Menschen, viel laufen, viel lachen, bis halb 3 morgens. Wir durften sogar einen übertrieben drolligen Gedankenleser mit Buntfaltenhose und Hosenträgern kennenlernen, der uns die ganze Zeit erklärt hat, dass er "very, very happy, really, SO happy" ist, uns zu treffen.

Ihr könnt euch sicher vorstellen, WIE müde wir nach dieser Woche waren, deshalb habe ich heute dann auch aus Versehen (und zwar wirklich) verschlafen und war nicht in der Schule.

Ich könnte euch noch so schrecklich viel erzählen, über die Umzüge, Kavadis, die Menschen, die wir getroffen haben und das Essen das wir unterwegs bekommen haben. Aber ich bin zu faul und zu müde, deshalb müsst ihr leider versuchen, euch das vorzustellen oder noch 4 1/2 Monate warten, bis ich es euch erzählen kann.

Jetzt sind es mehr als sechs Monate, die ich hier verbracht habe und weniger als 5, die mir noch bleiben. Ihr bekommt noch ein Bild von mir im Sari und dann gehe ich ins Bett, damit ich morgen rechtzeitig aufstehe.


Alles Liebe und vielen, vielen Dank für alles,
Edda

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